Am 31.05.2016 fand die Tagung des Gunda-Werner-Instituts “Gegner*innenaufklärung – In-formationen und Analysen zu Anti-Feminismus” statt. Im Rahmen der Veranstaltung wurden mehrere Tagungsberichte von Stipendiat_innen der Heinrich-Böll-Stiftung verfasst.
Einleitung
Zunächst erklärt Hr. Gesterkamp den Workshop – Titel: Mit >Widersachern< sind hier Gegner*innen gemeint, Widerworte meint Widerspruch oder Gegenwehr. Der Workshop sei aus dem Bedürfnis nach Handlungsstrategien entstanden, um mit negativen Pressestimmen umzugehen.
Als Übung werden Meinungen per Handzeichen (Zustimmung / Ablehnung) erfragt. Erste Frage: „Sie werden eingeladen, auf dem Podium: „Gender: Wer braucht das?“ mitzudiskutieren. Auch ein AfD-Vertreter nimmt teil. Sagen Sie zu?“
Das Ergebnis der Abstimmung sind ungefähr 70% Ja – Stimmen. Die einzeln geäußerten Meinungen aus dem Podium:
- Ich sage auf jeden Fall ja, um Menschen wenig Raum zu geben. Ich würde also im Podium unterbrechen und Gegenargumente liefern.
- Keine absolute Ablehnung, aber ich will mich dem nicht aussetzen. Daher würde ich schon thematisch diskutieren, aber nicht in einer persönlichen Auseinandersetzung.
- Zunächst würde ich abklären: >Wer sind die anderen Podiumsgäste? In welchem Rahmen findet das Podium statt?<, bevor ich mich dazu entscheide.
In der Diskussion bildet sich die grundsätzliche Frage heraus: Soll man mit Ihnen oder über sie (Anti – feministische Akteur*innen, Anm.) reden?
Die nächste Frage lautet: „In einer vielgelesenen Zeitung wird eine Gender-Expertin sinnentstellend zitiert. Ihre Anhänger*innen sind empört, sie selbst sagt: Immerhin ist mein Name richtig geschrieben. Eine angemessene Reaktion?“
Im Plenum zeigen sich ungefähr 20% Ja – Stimmen, aber auch viel Unentschlossenheit. Die einzeln geäußerten Meinungen aus dem Podium:
- Klar ist das eine angemessene Reaktion, da die Auseinandersetzung zu viel Energie kostet und es eine wichtige Lehre aus der PR ist, dass das Wichtigste sowieso die Nennung des Namens ist.
- Ich finde nicht, dass das eine angemessene Reaktion ist, denn wenn der sinnentstellte Inhalt in einer vielgelesenen Zeitung abgedruckt wird, bildet das Meinungen und muss deshalb richtiggestellt werden (durch eine abgedruckte Gegendarstellung oder einen Leserbrief)
Später kommt Hr. Gesterkamp auf den anglophonen Grundsatz der Eigen-PR „write what you want but spell my name correctly“ zurück, der zwar insofern stimme, als dass auch schlechte Rezensionen den Buchverkauf verstärken könnten, Gesterkamp es nach eigener Aussage jedoch nicht gut finde, sich inhaltlich nicht zu wehren.
„Gender-Berichterstattung. Zwischen Ignoranz, Ironie und Kampagne – aber keine Verschwörung!“
(Impulsreferat von Dr. Thomas Gesterkamp)
Der Vorwurf der „Lügenpresse“ ist oft von Anti – feministischen Akteur*innen als Vorwurf an Journalist*innen zu hören. Es sei unangemessen, auch als feministische Akteur*in den Vorwurf einer Verschwörung an „die Medien“ zu richten, da zum einen nach den Beobachtungen Gesterkamps Gender-Themen sehr vielfältig dargestellt würden und zum anderen der Vorwurf der „Lügenpresse“ eben ein rechtspopulistisches Instrument sei.
Hr. Gesterkamp spricht über drei Strategien im Umgang mit Gender – Themen in der anti-feministischen Berichterstattung: Die der Lächerlichmachung oder Skandalisierung von Berichterstattung, so zu Beispiel der Stern - Artikel „Ich Mann, du Frau“[3] im Stern – Magazin oder ein FAZ – Artikel von Volker Zastrow, der den Vorwurf der Umerziehung durch Gender Mainstreaming erhebt[4], ebenso die „Hart aber fair“- Sendung vom März 2015 mit dem Titel "Nieder mit den Ampelmännchen - Deutschland im Gleichheitswahn?". Außerdem würden feministischen Positionen zu aktuellen Themen von Journalist*innen schlicht ignoriert. Den Eindruck einer organisierten Kampagne, um in „allen Medien“ eine einseitige Meinung zu vertreten, entstünde jedoch durch die „Abschreibe-Struktur“, die im Journalismus derzeit herrsche. Daher solle man „die Medien“ nie pauschal verdammen. Denn der Hass gegen Journalist*innen in den Leitmedien stehe stellvertretend für den Hass eines rechten Kleinbürgertums gegen „die Elite“ und das Establishment. Historisch kommt der Begriff der „Lügenpresse“ aus den Medienkämpfen von den Vorläufer*innen der Nationalsozialisten in der Weimarer Republik. Und bei Pegida klingt die einseitige Berichterstattung der SED nach, die einen Erfahrungshintergrund für Pediga bildet. Trotzdem gäbe es Vertrauenskrise zwischen Mediennutzer*innen und Journalist*innen, die ernst zu nehmen sei (siehe Uwe Krüger, Leipzig: Mainstream - warum wir den Medien nicht mehr vertrauen[5]), deren wahrer Kern in der Tendenz zur „Rudelbildung“ von Journalist*innen begründet sei. Dieser Vertrauensverlust ziehe den Rückzug von Mediennutzer*innen in Informationsräume nach sich, in denen Filtereinstellungen und Gleichgesinnte das eigene Weltbild bestätigen (Hr. Gesterkamp benutzt hier den Begriff der Echokammern von Krüger). Kritiker*innen informierten sich aus selbstgesuchten, zum Teil nicht seriösen Quellen, in denen nur die eigenen Positionen bestätigt werden. Aus den Medienwissenschaften sei der „Hostile – Media – Effekt“ bekannt: Wer eine starke Meinung zu einem Thema hat, neige dazu, kritische Berichterstattung als Feindseligkeit zu interpretieren. Ein Problem der journalistischen Arbeit bestehe darin, dass diese nie Expert*innen sind und Expert*innen daher immer etwas zu kritisieren finden.
Strategien im Umgang mit der dargestellten Form von Anti-Feminismus
Als Strategie im Umgang mit negativen Medienberichten fordert Gesterkamp als „Entspannungsübung“ zu mehr Gelassenheit auf, um sich nicht verunsichern oder verletzen zu lassen, auch wenn es natürlich bei persönlichen Angriffen Grenzen gäbe. Man solle Vielfalt in der Berichterstattung wahrnehmen und - auch wenn es weh tue - Vieles lesen, um die Ausreißer vom Mainstream, die wohlwollenden Berichte, zu registrieren. Gesterkamp wirbt für mehr Verständnis für die Bedingungen, unter denen Journalistinnen Inhalte produzieren (müssen): Massenmedien leiden unter Sparzwang und viele Journalist*innen seien prekär beschäftigt, es bleibe wenig Zeit für Recherchen. Journalist*innen seien nun mal keine Wissenschaftler*innen, sondern „Verbreiter von Halbwissen“. Für konkrete Handlungsoptionen seien nicht alle Medienformate geeignet:
- TV (Talkshows) seien ein ungeeignetes Format, da es wenig Chancen für Widerworte und Niveau beim Gäste-Casting gäbe. Das Format ist unterkomplex, unterhaltend und auf Krawall gebürstet: je steiler die These, desto eher wird man eingeladen
- Printmedien / Hörfunk: Hier gäbe es die größten Chancen. Strategien können sein, Kontakte zu knüpfen, Mails und Leserbriefe zu senden, eigene Texte zu platzieren und direkt in Redaktionen anzurufen.
- Online - Strategien: Um positive, pro - feministische Botschaften zu senden, kann man Kommentarspalten nutzen, eigene Inhalte verlinken, Wikipedia-Einträge über die Versionsgeschichte kontrollieren, um Anti – Feminist*innen nicht die Deutungshoheit zu überlassen, negative Rezensionen feministischer Bücher in Internet sowie Schmäheinträge im Google - Ranking übertönen. Die Schwierigkeit: Die Widersacher sind internetaffin und geschickt darin, ihre persönliche Meinungen als öffentliche Meinung darzustellen.
Einzelne Stimmen aus den Diskussionen in Kleingruppen zu drei Fragen
- Berichte über Gender-Themen: Gibt es eine feindliche Berichterstattung?
- L. fällt keine positive Berichterstattung über Gender Studies ein, außer Interviews mit Gender-Expert*innen oder von diesen selbst verfasste Texte.
- Soll man Widersachern „eine Bühne bieten“?
- Nein, keine Bühne bieten und nicht auf Diskussion einlassen
- Ja, denn mit dem angeblich demokratischen Argument, nicht mit undemokratischen Gruppen zu sprechen, spielt man undemokratischen Gruppen in die Hände (rechtfertigt Märtyrer-Bild) und Wähler*innen bekommen den Eindruck, die Politik lasse extreme Gruppen gewähren. Das politisches Symbol der Abwesenheit ist keine gute Strategie.
- Ja, aber mit klaren Gesprächsregeln: Beispiel der „Bürgerversammlungen“ in Dresden von der Landeszentrale für polit. Bildung: Zwischenrufe nicht zulassen, vehement Diskussionskultur verteidigen.
Das Problem bleibt, wie man den Umgang mit Rechtspopulisten in den Medien gestalten soll: Was für Strategien gibt es auf demokratischer Basis mit jemandem, der nur auf der Werte/Normbasis polemisiert? Hr. Gesterkamp stellt fest, dass über die AfD berichtet werden müsse und man damit keine Bühne biete, da so noch keine Präsentation einer anti – fem. Meinung ermöglicht werde.
- Widerworte: Wie kann man feministische Akteur*innen unterstützen?
- Solidarität zeigen, „Banden bilden“
- Sich vor Diskussionen mit Gleichgesinnten vorbereiten und präsent sein
- Mehr Medienkompetenz für feministische Akteur*innen (wie verteidige ich mich? wie präsentiere ich meine Inhalte?), da „wir“ in Neuen Medien etwas hinterher sind. Hier wären Partnerschaften zwischen Wissenschaftler*innen und Journalist*innen fruchtbar. Es sollten Stellen geschaffen werden, um Akteur*innen in Medienkompetenz und Argumentation zu schulen.
- Beispiel des „Womens Media Center“[6] in den USA: Datenbank von Expert*innen in Genderfragen, damit Journalist*innen die Inhalte nutzen können; außerdem u.a. Medientrainings für Aktivist*innen und Platzierung von Artikel in Leitmedien
- Hinweis einer Teilnehmer*in auf Wikiportal „agentin“: Glossar des Anti-Feminismus, Argumentationsmuster etc. als hilfreiches Instrument für Personen, die medienwirksam agieren wollen
- Gegen das >Mitmischen< in Diskussionen auf Foren wie Facebook: Grenzen der Belastbarkeit beachten. Um Ressourcen zu sparen, muss man sich die Foren genau aussuchen, in denen man reagiert. Der direkte Kontakt mit Menschen sei wichtiger.
- Auf Facebook nicht von „befreundeten“ AfD-Anhängern trennen, da die eigenen Beiträge vllt die einzigen feministischen Kommentare sind, auch das Löschen der Kommentare macht Sinn, da sie so gelesen werden
[1] Gesterkamp, Thomas (2010): die neuen Väter zwischen Kind und Karriere. Berlin: Barbara Budrich Vlg.
[2]Gesterkamp, Thomas (2010): Geschlechterkampf von rechts - Wie Männerrechtler und Familienfundamentalisten sich gegen das Feindbild Feminismus radikalisieren, In: WISO Diskurs, Friedrich – Ebert - Stiftung
[3] Schneider, Kerstin (22.03.2005): Ich Mann, du Frau. In: Stern http://www.stern.de/politik/deutschland/buerokraten-ich-mann--du-frau-3…
[4] Zastrow, Volker (07.09.2006): „Gender Mainstreaming“ - Der kleine Unterschied. In: FAZ
http://www.faz.net/aktuell/politik/gender-mainstreaming-der-kleine-unte…
[5] Krüger, Uwe (2016): Mainstream: Warum wir den Medien nicht mehr trauen. München: C.H.Beck
[6] http://www.womensmediacenter.com
Referent*in: Dr. Thomas Gesterkamp
Zum Referenten: Dr. Thomas Gesterkamp ist Journalist, Autor und Politikwissenschaftler in Köln. Er arbeitet zu geschlechterpolitischen Themen vor allem aus der männlichen Perspektive, schrieb u.a. über „die neuen Väter zwischen Kind und Karriere“ (2010)[1] und ist Mitbegründer des Väter-Experten-Netz-Deutschland (VEND). Im Zuge der Publikation der Friedrich – Ebert – Stiftung „Geschlechterperspektive von rechts“[2] geriet er selbst in einen Shitstorm, in dem sich Männerrechtler gegen ihn als feministischen Vertreter radikalisierten.